Devilish DoubleDylans huldigen dem Meister
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Seit 25 Jahren huldigt die Frankfurter Band DoubleDylans ihrem liebsten Musiker Bob Dylan mit eigenwilligen Übersetzungen und Interpretationen.
Von Christian Riethmüller
In der chinesischen Küche ist Rettichkuchen bekannt, doch an einer Geburtstagstafel inDeutschland würde die Lo Bak Go genannte Spezialität vermutlich für ratlose Gesichtersorgen. Erst recht, wenn die Tafel von den selbsternannten „Rettichrettern“ gedeckt wordenwäre. Die reichen am 24. Mai traditionell Erdbeerkuchen und manches Alkoholische, um aufden Geburtstag eines Mannes anzustoßen, den sie „Meister“ nennen und dessen Werk ihnenseit 25 Jahren Inspiration für ihr eigenes künstlerisches Tun ist. Und dabei sindrätselhafterweise auch einige Lieder über den Rettich entstanden.
Bob Dylan
weiß gewiss nichts von den Ehrenbezeugungen, die ihm jedes Jahr im Mai imRhein-Main-Gebiet entgegengebracht werden. Mit Ehrungen ist die amerikanischeMusikerlegende ohnehin überhäuft. Auch an Epigonen, an „neuen Dylans“, herrscht seit baldsechs Jahrzehnten kein Mangel. Und doch könnte die Geschichte der Devilish DoubleDylans,die manchmal auch nur DoubleDylans genannt werden, sogar dem Barden ein Schmunzelnentlocken.
Es war jedenfalls vor einem Vierteljahrhundert, als sich Robert Noetzel und MatthiasSchmidt bei den montäglichen Sessions im damals noch bestehenden Musikclub Blues &Beyond an der Berger Straße im Frankfurter Stadtteil Bornheim kennenlernten. Beide hattenjeweils mehrere Dutzend Dylan-Songs im Repertoire, die sie zur Gitarre vortragen konnten.„Und es ging gewiss auch darum, wer nun mehr Songs kennt“, erinnern sich die beiden anihren Wettstreit, der damit endete, auch einmal gemeinsam auftreten zu wollen.
In einem Kellerlokal in Sachsenhausen erlebte der „doppelte Dylan“ dann seine Premiere, beider nach dem Auftritt ein Mann auf die beiden zutrat und ihnen sagte: „Ihr braucht nocheinen Bass.“ Passenderweise spielte dieser Ulrich Klapdor selbst Kontrabass, und so warendie DoubleDylans plötzlich ein Trio. Anfangs coverten die drei ausschließlich Songs ihresVorbilds, bald aber kam der Wunsch auf, auch eigene Lieder zu schreiben, die im Jahr 2000auf dem Debütalbum „Monsters of Folk Rock“ erschienen. Textete die Gruppe da noch aufEnglisch, findet sich schon auf dem zweiten Album ein Lied mit deutschem Text, dem 2004mit „Ich und ein anderer“ das erste durchgängig auf Deutsch verfasste Album folgt. Daraufsind mal alberne, mal ernste Übersetzungen von Dylan-Texten zu hören: Aus „A Hard Rain’sGonna Fall“ wurde „Scheiß Regen“, aus „Visions of Johanna“ eben „Visionen von Johanna“.
Bei den Übersetzungen ging es dem Trio darum, „die Texte in ein Rhein-Main-Umfeld zuverlegen und mit Namen oder Orten auf Begebenheiten hier anzuspielen“. Um Reimepassend zu biegen, durfte und darf auch mal etwas Frankfurterisch zum Einsatz kommen,wobei die drei aber betonen, niemals Mundart-Versionen von Dylan-Songs im Stil von BAPoder Wolfgang Ambros im Sinn gehabt zu haben. „Es geht nicht um Lokalkolorit. Wirmöchten Lieder im Geiste Dylans schreiben, aber mit unseren eigenen Bezugspunkten“,sagen die DoubleDylans, die dabei auch den Dylan-Kosmos selbst im Blick haben. Der istlängst zu einer eigenen Wissenschaft geworden, in der die Dylanologen das Schaffen desMeisters bis in die letzten Verästelungen analysieren, katalogisieren, kartographieren undarchivieren, was die kenntnisreichen DoubleDylans natürlich nicht gänzlich ohneKommentar beobachten können. Auf ihrer letzten Veröffentlichung, den vor zwei Jahren imVerbund mit einem aufwendig gestalteten Booklet im DIN-A4-Format erschienenen Album„Meisterwerke“, besingen sie daher auch den einen oder anderen regionalen Dylanologen.
Ein neues Album anlässlich ihres Geburtstags haben die drei, die alle anderen Berufenjenseits der Musik nachgehen, nicht geplant. Dafür wollen sie aber reichlich Konzerte geben,sogar ein Gastspiel in den Niederlanden ist im Gespräch. Schon ausgemacht sind mehrereAuftritte in Frankfurt. Auch bei einem Festival in Aschaffenburg sind sie mit dabei. Daswichtigste Konzert ist aber gewiss das am 24. Mai, wenn die Devilish DoubleDylans bei denDarmstadt Dylan Days („Die DDD bei den DDD“) spielen. Über einem Stück Erdbeerkuchenlässt sich dann womöglich ergründen, was es mit Bob Dylan und Rettichen auf sich hat.